Covid/B1-Remix
Eigentlich hätte Gereon Krebber mit seinem Skulpturen in Kürze den neuen Anbau B12 des Kulturzentrums Bottrop eröffnet, doch Museen sind und bleiben geschlossen. Kurzerhand steht jetzt eine Auswahl seiner Skulpturen im neuen Impfzentrum am Südring. Das Impfzentrum Bottrop ist in einem ehemaligen Indoor-Golf-Center untergebracht; in der Hallenmitte befindet sich das große "Putting Green". Der Kunstrasen musste hygienisch mit Plane abgedeckt werden und war fürs Impfen nicht weiter zu nutzen. Die Idee entstand, auf den verbliebenden 350 qm Krebbers Skulpturen zu zeigen.
„Die Idee, im Impfzentrum Bottrop meine Skulpturen zu zeigen, fand ich auf Anhieb super. Was könnte zur jetzigen Situation besser passen als ein Impfzentrum?
Ich nutze gern kunstferne Orte. Genau wie auch das Virus selbst, arbeitet meine Kunst häufig „invasiv“, „deplatziert“ und „prekär“, wie Hans-Jürgen Lechtreck vom Museum Folkwang es kurz und bündig charakterisiert hat.
Die ausgelegte Plane habe ich mit Klebeband gestaltet und frei beklebt, um mit dem unregelmäßigen Muster einen Partikel-Teppich zu schaffen. Ganz so, als würden in einer präparierten Lösung unter einem Mikroskop sehr längliche Stäbe frei schweben –
passend zu den ganzen mikroskopisch kleinen Vorgängen, die gerade unablässig unser Thema sind.
Auf diese Bodencollage aus Paketklebeband habe ich meine Skulpturen gestellt.
Die Auswahl war schwieriger als gedacht, weil die Brandschutzauflagen strikt waren. Da Brandanschläge befürchtet werden, hatte alles Baustoffklasse B1 (schwerentflammbar) zu sein. Die großen Skulpturen, die u.a. aus Wachs gefertigt sind, mussten leider wieder gehen.
Die Ausstellung zeigt plastische Arbeiten aus den letzten zwanzig Jahren. Die älteste Arbeit ist eine mattweiß glasierte Keramikkugel (Schneeball, 2000) die ich noch als Student in der Kunstakademie gebrannt habe. Die aktuellste Arbeit ist ironischerweise auch eine glasierte Keramik (Agiens, 2020). In der Mitte liegt eine halbzylindrische Plastik aus Bauschaum (Phinea, 2010), die damals im Museum Lehmbruck, Duisburg zu sehen war. Dazwischen hängen Mobiles mit Gehwegplatten und durchsichtig geschliffenen Spiegeln (Tagundnachtgleiche, 2015), aus der Galerie alexander levy in Berlin. An der Säule lehnt leuchtend eine glatte Planke (Planke pink, 2008), gegenüber seitlich steht ein Betonblock mit gähnender Öffnung (Graufleisch,2019) und vorn neigt sich ein monströs überwucherter, grüner Block (Fitting, 2016-18), der kürzlich noch in Osnabrück und in Essen in der Galerie Frank Schlag gezeigt wurde. Mittig steht grazil eine Doppelskulptur aus Stahlkreisen, die mit gefärbtem Spaghetti behangen sind (Spaghettitrockner, 2007), die auch mit der Galerie Christian Lethert in Basel, in der der Kunsthalle Wilhelmshaven und anderswo ausgestellt war. Nach hinten schließt eine liegende, rosfarbende Figur (Puppe, 2007) aus überspachtelten Styropor die Präsentation ab. Spannend für mich war die Bandbreite bei meinem "Covid-B1-Remix". Die meist freistehenden Skulpturen unterscheiden sich in Materialien, Oberflächen und Volumen. Zusammen ergeben sie ein heterogenes Bild einer Gesellschaft, die exemplarisch plural und divers ist.
Angaben und Titel sind an der Wand gelistet; das ehemalige Golfball-Bild ist überklebt und beschriftet. Zettel und Schildchen gehen nicht, da nichts herumliegen darf.
Nur weil es gleich Nachfragen gab: Für die Stadt Bottrop ist das Ausstellen meiner Sachen in der Arena79 kostenfrei. Aufwändige Transporte sind entfallen, weil mein Lager dankenswerterweise dort gleich um die Ecke ist und ich die fertigen Skulpturen einfach in die Ausstellung bringen konnte. Aufbau, Versicherung und Transport gehen vollständig auf meine Kappe. Kurzum habe ich der Stadt einen Haftungsausschluss unterschrieben, damit keine Diskussionen nötig sind. Danke an alle Beteiligten, weil es sehr kooperativ gelaufen ist und alle mitgezogen haben.
Gerade ist das Impfzentrum nicht offen zugänglich. Es gleicht einem Hochsicherheitstrakt, Security steht die ganze Zeit vor der Tür. Andererseits werden dort ab 1. Februar Tausende Leute geimpft – öffentlicher geht es kaum. Wenn sich die Lage entspannt, könnte vielleicht für einige Zeit die Ausstellung auch frei öffnen, zumindest für einige Touren und bestimmte Zeiten.
Ich fand das wie gesagt zur jetzigen Situation mehr als passend: Wenn die Kunst nicht stattfinden kann, weil die Museen zu sind, geht die Kunst halt dahin, wo es gerade möglich ist –meine zumindestens. Sehr wahrscheinlich ist in Bottrop das einzige Impfzentrum, dass gleichzeitig als Kunstgalerie sich einen Namen macht.
„Covid/B1-Remix“ ist Teil 1 meiner Ausstellung. Teil 2 im neuen Anbau B12 folgt, wenn es wieder möglich ist. Die Ausstellung mit dem Titel „Was ich Dich noch fragen wollte“ zeigt vornehmlich aktuelle Arbeiten und eröffnet den frisch fertiggestellten Anbau des Kulturzentrums.“
Gereon Krebber, Januar 2021